Stadtstreicher Online – Mühsame Goldgräberarbeit
Seit es „grounded“ gibt, bemüht sich Galerist Uwe Kreissig, Grund und Boden der Chemnitzer Kunstlandschaft nach bisher unbekannten Schätzen zu durchwühlen. Aus nachvollziehbaren Gründen kommt aber nicht alles in den Sammelkorb, was ihm dabei zwischen die Finger gerät, an taubem Geröll ist schließlich kein Mangel. „private choise“ nennt sich deshalb eine Ausstellung, die nun in der Zweitauflage stattfindet. Sieben junge Künstler hat er diesmal erwählt. Das Prädikat „Chemnitzer“ Künstler ist allerdings etwas fraglich. Biografische Verknüpfungen haben sie zwar alle zur Stadt, doch die meisten sind anderswo ansässig, zumeist als Studenten. Die Präsentation kann man deshalb auch als Werben um eine Rückkehr zu den Wurzeln ansehen.
Gezeigt werden selbstverständlich unterschiedliche Handschriften, gravierende Ausbrüche aus dem aktuellen Mainstream sind allerdings nicht dabei. Gemein ist aber allen Ausstellenden, dass sie ihr Metier sauber und selbstbewusst beherrschen und nicht mit Anfänger-Attitüden kokettieren.
Robert Reinhold, gegenüber der Eingangstür mit zwei schalen Querformaten zu sehen, pflegt einen betont glatten, unterkühlten Stil mit wenigen Requisiten. David Hockney könnte jeden Moment aus dem sauber gemalten Pool auftauchen. Die Bilder daneben scheinen auf den ersten Blick vom gleichen Autor zu stammen. Dann fällt aber eine hintergründige Brechung auf. Ein Dackel verlässt die Bildfläche jenseits des goldenen Schnitts, und „Jennys Eiscream“ steht auf dem Verkaufsstand. Jenny Jey heißt die Malerin. Als zeitgenössischer Übersetzer der Pop Art erweist sich auch Daniel Schramm. Er abstrahiert (Groß)Mutter-Kind Beziehungen in farbenfrohe, aber auch schematische Stadtlandschaften.
So wie Schramm mischt André Deloar fotografische Elemente mit Übermalungen in Collagemanier, Typografie kommt hinzu. Allerdings ist seine Bildsprache deutlich rauer, härter. Seine Palette tendiert zwischen Schwarz und Weiß, nichts weiter.
André Wagner ist vom Kaßberg nach Berlin gezogen und portätiert dort unterdessen für renommierte Journale Stars und Sternchen der Unterhaltungsbranche. Auch wenn der kommerzielle Aspekt dieser Fotografien nicht zu übersehen ist, zeichnen sie sich neben der Professionalität durch eine gute Individualisierung der Dargestellten mit Sinn fürs Detail aus.
Conny Haufe fotografiert auch, doch weniger medientauglich. Ihre Großformate in Schwarzweiß lassen sich ohnehin schwer auf Zeitschriftenformat quetschen.
Schließlich sieht man nach Aufstieg ins Obergeschoss der Galerie noch Porträtzeichnungen von Christiane Liebert. Flüssig mit breitem Stift hingeworfen, teilweise schwarzflächig gefüllt, erinnern sie an Zeitungsgrafiken einer vergangenen Epoche.
Der Galerist ist bei seiner Schatzsuche fündig geworden. Ob er die Ausgrabungen festhalten kann oder sie sich verflüchtigen, bleibt abzuwarten.
Autor: Jens Kassner